Jede Geburt ist einzigartig, hat ihre eigene Geschichte und verdient höchsten Respekt. Was immer deine Geburt zu einer Kaiserschnitt-Geburt hat werden lassen, ganz gleich ob eine Notwendigkeit oder deine persönliche Entscheidung – du hast Großartiges geleistet und darfst stolz auf dich sein. Nun benötigt dein Körper – und auch deine Psyche – besondere Aufmerksamkeit und Heilung. Vor allem wenn deine Geburt anders verlaufen ist, als gehofft: Kaiserschnitt ist auch Geburt und mit Sicherheit nicht der „leichtere“ Weg. Du darfst deine Narbe mit Stolz tragen. Und: Du darfst tragen.Dein Kind tragen, mit Tragehilfe, Tragetuch oder Ring Sling, auch bereits im Wochenbett, wenn dir danach ist.Das körpernahe Binden in einem gut festgezogenen Tuch oder einer korrekt angelegten Tragehilfe in möglichst aufrechter Haltung ist deutlich schonender für deinen Körper, auch für die Kaiserschnittnarbe, als das Tragen deines Kindes mit bloßen Armen.
Situationsbedingt kann es durch eine Bauchgeburt zur Unterbrechung der frühen, physiologischen Bonding-Phase kommen – und auch hierfür braucht es Heilung. Dein Kind, eingehüllt in Tragetuch oder Tragehilfe, Körper an Körper zu spüren, kann wesentlich zur Milderung seelischer Wunden beitragen. Ganz nebenbei fördert Tragen eine sichere Bindung und den Erfolg eurer Stillbeziehung.
Nach Bauchgeburt eignen sich jene Systeme, welche keinen Druck auf die Narbe ausüben: Beispielsweise die Känguru-Bindeweise mit Tragetuch (es finden sich zahlreiche Anleitungen im Netz – der Knoten kann, wenn das Tuch lange genug ist, auch am Rücken gesetzt werden) oder das Tragen mit Ring Sling. Oftmals wird der Ring Sling mit größeren Kindern in Verbindung gebracht, er eignet sich aber bereits für Neugeborene. Wichtig ist nur die korrekte Anwendung, sprich eine gute Anhockung und das genaue Festziehen der einzelnen Tuchsträhnen, bis sich diese faltenfrei dem kindlichen Rücken anschmiegen und diesen so stützen.
Wenn dir Tücher nicht liegen (vielen Eltern geht es so und diese Einstellung hat durchaus seine Berechtigung, besonders nach Bauchgeburt, welche deine Mobilität vorerst stark einschränkt) kannst du dich auch für eine Tragehilfe mit Hüftgurt entscheiden. Es gibt Tragehilfen mit sehr weichen Hüftgurten, was dir im Moment wahrscheinlich angenehm ist. Setze den Hüftgurt so hoch wie möglich an, sodass der Druck auf die Narbe möglichst gering ausfällt. Miederhöschen, beispielsweise von Kaiserschlüpfer, entlasten, stützen und schützen deine Narbe bestmöglich.
Half-Buckles sind Tragehilfen, bei welchen nur der Hüftgurt mit Schnalle versehen ist, die Schulterträger bestehen aus langen Bändern. Diese Tragesysteme verlagern das Traglingsgewicht vorwiegend auf die Schultern und entlasten so deinen empfindlichen Bauch eher als Full-Buckle-Tragehilfen. (Bei Full-Buckles werden auch die Schulterträger mit Steckschnalle geschlossen. Sie verteilen das Gewicht gleichmäßig auf Schultern und eben auch auf deine Hüfte/deinen Bauch.)
Was immer beim Tragen gilt, gilt nach anspruchsvoller Geburt und Kaiserschnitt im besonderen Maße: Achte auf eine aufrechte Körperhaltung, festes Binden und die symmetrische Haltung deines Kindes. Je größer die Geburtsverletzung, desto feiner dosiert solltest du mit dem Tragen starten. Narben reagieren bei Überbelastung anderenfalls mit Bindegewebseinlagerungen oder verzögerter Heilung. Wenn du Schmerzen verspürst (unabhängig ob an der Narbe, im Becken oder im Rücken), eine verstärkte Blutung wahrnimmst, Druck nach unten fühlst oder während des Tragens eine aufrechte Körperhaltung nicht mehr wahren kannst – war es bereits zu viel. Schau gut auf dich und gib dir Zeit. Rückbildung im Sinne von Wiederherstellung deiner Stabilität hat nun oberste Priorität.
Du bist stark – aber du musst nicht stärker sein, als du sein kannst. Wenn dein Körper nach Pause schreit, so zeugt es ebenso von Stärke, wenn du abgeben kannst. Auch dein Partner oder andere, nahestehende Familienmitglieder können dein Baby tragen und dir somit eine wertvolle Ruhezeit schaffen. Du bist eine großartige Mama.
Ich wünsche dir jede Unterstützung, die du kriegen kannst und alles Liebe für euch! Lisa

Unsere Gast-Autorin
Lisa-Maria Rebhandl ist zweifache Mama, Hebamme und Trageberaterin im Salzburger Lammertal, im Redaktionsteam der Österreichischen Hebammenzeitung, beim Salzburger Hebammengremium tätig und externe Lehrende im Bachelor- und Masterstudium Hebamme an der Fachhochschule Salzburg.
Ihr 2024 erschienenes Buch „TRAGEN – Kompaktwissen & Orientierungshilfe“ macht Mut und Lust zu Tragen und hilft bei der Entscheidung, wie und mit was getragen wird. Inklusive Exkursen zu den Themen „Babyschlaf“ sowie „Beckenboden und Tragen“.
Foto: Anna Kafka