Alles rund ums Zufüttern

Stillen bietet eine optimale und natürliche Ernährung für Säuglinge, da sie sich an dessen Bedürfnisse stets anpasst. Es ergeben sich auch viele Vorteile und gesundheitsförderliche Aspekte für Mütter. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt ein halbes Jahr voll zu stillen. Dies ist aber in der Praxis aus unterschiedlichsten Gründen nicht immer umsetzbar. Gerade in den ersten Wochen bedarf es manchmal einer sogenannten Zufütterung. Durch den Druck der Gesellschaft und die Sorge um das Baby beschäftigt dieses Thema viele Eltern emotional.

Es stellen sich plötzlich viele Fragen: Was ist konkret Zufüttern? Wann ist es wirklich notwendig? Welche Methoden gibt es? Wie kann zusätzlich unterstützt werden?

Als Hebamme möchte ich in diesem Blogbeitrag einige wichtige Informationen und Tipps geben, um dich als Eltern in dieser sensiblen Phase zu begleiten.

Was ist mit Zufüttern gemeint?

Zufüttern bedeutet, dass einem Baby, unabhängig vom Alter, zusätzlich zur Muttermilch weitere Nahrung gegeben wird. Dies kann abgepumpte Muttermilch, industriell hergestellte Säuglingsnahrung (Pre-Nahrung) oder in manchen Fällen auch gespendete und aufbereitete Muttermilch sein. Diese zusätzliche Nahrung kann durch verschiedene Möglichkeiten zugefüttert werden.

Ich werde häufig gefragt: War es das nun mit dem Stillen? Meine konkrete Antwort: Nein, absolut nicht! Zufüttern kann überbrückend angewandt werden und mit Unterstützung und Hilfestellung (wieder) volles Stillen erreicht werden.

Es gibt aber auch die bewusste sognannte „Zwiemilchernährung“ oder das „bunte Stillen“, die ebenso auf Zufütterung beruhen. Für diese Methoden entscheiden sich Mütter meist langfristig, um das Baby sowohl zu an der Brust zu stillen, als auch alternativ zu füttern.

Wann ist Zufüttern notwendig?

Das Zufüttern kann in verschiedenen Situationen notwendig werden. Die häufigsten Gründe ergeben sich in den ersten Tagen bis Wochen nach der Geburt:

  • Unzureichende Gewichtszunahme: Wenn ein Baby nicht genügend an Gewicht zugenommen hat, kann in Absprache mit einer Hebamme oder einer* einem Ärzt*in zusätzliche Nahrungszufuhr erforderlich sein. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, welche sich parallel zum Zufüttern genauer angeschaut werden sollten.

  • Verzögerte oder geringe Milchproduktion: Manchmal bedarf es ein wenig Zeit, bis es zum Milcheinschuss kommt und in manchen Situationen reicht trotz aller Bemühungen die Muttermilch für die Bedürfnisse des Kindes (noch) nicht aus. Dies zeigt sich schließlich meist in unzureichender Gewichtszunahme. Gründe hierfür können sich beispielsweise auf die Brust, auf hormonelle Probleme im weiblichen Körper, den Lebensstil, die Geburt, aber auch auf das Neugeborene beziehen.

Das Gute ist, in einigen Fällen genügt mit viel Motivation, der Behebung der Ursache, einem guten Stillmanagement und dem Einsatz von Unterstützungsmaßnahmen, ein überbrückendes Zufüttern.

  • Starke Unruhe und Unzufriedenheit des Babys: Manche Kinder gedeihen gut, aber haben dennoch im Rahmen ihrer Wachstumsschübe ein erhöhtes Bedürfnis an Nahrung. Hier kann auf Wunsch oder zur Entlastung in fachlicher Absprache das zusätzliche Zufüttern zum Stillen der Bedürfnisse und zur Entlastung der Mutter in Erwägung gezogen werden.

  • Sonstige Gründe: Erkrankungen oder Trennungen von Mutter und Kind können ebenso eine Zufütterung notwendig machen.

  • Zwiemilchfütterung oder buntes Stillen: Manchmal ist aufgrund von Vorerfahrungen, aus beruflichen Gründen oder anderen persönlichen Anliegen, ein Zufüttern gewünscht. Auch das ist nach ausführlicher Beratung absolut in Ordnung.

Welche Methoden gibt es?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Baby zuzufüttern, ohne dass die Mutter-Kind-Bindung oder das Stillen stark beeinflusst werden. Eine begleitende Beratung und Einschulung in die jeweilige*n Variante*n erscheint für den sachgemäßen Umgang wichtig:

  • Fingerfeeder: Er hilft bei vorläufigen Zufütterungen in den ersten Tagen, wenn das Baby noch eine eher geringe Milchmenge benötigt. Der Fingerfeeder kann entweder an der Brust direkt verwendet werden oder wenn das Baby an der Brust womöglich noch nicht saugen kann auch als „Saugtraining“ mit einem sauberen Finger im Mund gefüttert werden.

  • Sonde (mein Favorit!): Diese eignet sich ideal zur überbrückenden Zufütterung. Ein dünner Schlauch einer sog. Magensonde kann an die Brust der Frau geklebt werden, sodass die Spitze bündig mit der Brustwarze endet. Das Baby kann an die Brust angelegt werden und gleichzeitig Nahrung mit einer Spritze langsam zugeführt werden. Die Sonde kann aber auch in eine Flasche mit Nahrung gehängt werden.

  • Brusternährungsset (BES): Wenn eine Zufütterung für längere Zeit angedacht ist oder bereits größere Mengen bedarf, kann ein Brusternährungsset eine gute Wahl sein. Es funktioniert vom Prinzip her ähnlich wie die Zufütterung mittels Sonde.

Wenn eine Zufütterung an der Brust (vorübergehend) nicht möglich oder nicht gewünscht ist, gibt es auch weitere Möglichkeiten:

  • Löffelfütterung: Diese ist eine Alternative für kleine Mengen, die langsam verabreicht werden. Sie eignet sich ideal für die Verabreichung von erstem Kolostrum.

  • Becherfütterung: Bei steigender Milchmenge und kann auch statt einem Löffel ein Becher oder sogenannter Softcup verwendet werden.

  • Fläschchen: Auch ein Fläschchen kann zum Zufüttern gerne verwendet werden. Sollte ein Weiterstillen gewünscht sein, ist das Vorgehen idealerweise mit Fachpersonen zu besprechen und sich beraten zu lassen. Runde und langsam tropfende Sauger sind zu empfehlen, um das Risiko einer Saugverwirrung zu minimieren. Mittlerweile gibt es auch brustähnliche Muttermilchsauger.

Tipps zur sanften Einführung des Zufütterns

  • Fachliche Beratung und Unterstützung: Ganz egal, ob das Zufüttern gewünscht ist oder es gewisse Gründe überbrückend erfordern, ist in dieser Situation unbedingt eine fachliche Begleitung durch Hebammen und Stillberater*innen zu empfehlen. Dies kann sowohl deine Ängste nehmen als auch helfen eine bestmögliche Lösung für dich und dein Baby zu finden.

  • Zuerst Stillen: Auf Basis meiner Erfahrungen kann ich sagen, dass es sich auf die weitere Stillbeziehung ideal auswirkt, dass Baby wenn möglich zuerst an der Brust anzulegen. Dies kann das Risiko einer Saugverwirrung reduzieren und die Milchproduktion ideal anregen.

  • Milchproduktion anregen: Es gilt: Wenn es viel Nachfrage gibt, kommt es auch zu vermehrter Produktion. Das heißt, häufiges Stillen unterstützt die Milchproduktion. Sollte dein Baby noch wenig Energie für das Saugen an der Brust haben und noch sehr kurz gestillt werden, so empfiehlt es sich mittels einer Milchpumpe die Milchproduktion anzuregen. Es gibt noch Tausende weitere unterstützende Maßnahmen zur Steigerung der Milchproduktion, welche einen eigenen Blogbeitrag bedürften.

  • Hautkontakt fördern: Viel Nähe hilft, die Bindung zu stärken und das Stillen zu unterstützen.

  • Geduldig bleiben: Manchmal braucht es ein wenig Zeit, bis das Baby sich an das Zufüttern gewöhnt oder das Vollstillen (wieder) funktioniert. Deine Gedanken haben einen großen Einfluss auf den Körper: Denke positiv und versuche Stress zu vermeiden!

Das Zufüttern kann eine wertvolle Unterstützung sein, wenn es richtig eingesetzt wird. Entscheidend ist, einen Weg zu finden, der sowohl den Bedürfnissen des Babys als auch denen der Mutter gerecht wird. Junge Mütter stehen oft unter großem gesellschaftlichen Druck – doch das Wichtigste ist, dass sich gut beraten zu lassen und den für sich passenden Weg und individuellen gehen.

Persönlich habe ich in meiner Laufbahn als Hebamme bereits unendlich viele Varianten und Möglichkeiten des erfolgreichen Zufütterns und Stillens gesehen und begleitet.

Stillen ist eine wunderbare Möglichkeit, das Baby zu ernähren, aber es ist nicht der einzige Weg, eine liebevolle und innige Bindung aufzubauen. Niemand sollte sich schuldig fühlen, wenn Stillen nicht möglich ist oder Zufüttern notwendig wird. Jede Mutter verdient Unterstützung und Verständnis für ihre individuelle Entscheidung.

 

 

Unsere Gast-Autorinnen

Esther und Sophie sind zwei Hebammen aus Österreich. Die gemeinsame Arbeit und Zeit in einer Wiener Klinik hat die beiden so sehr verbunden, dass aus Kolleginnen gute Freundinnen wurden. Anlässlich der Corona Pandemie und dem Umzug von Esther nach Linz, haben die beiden beschlossen, einen kompakten, aber umfangreichen online Geburtsvorbereitungskurs für werdende Eltern zu entwickeln und aufzunehmen.

Während Esther derzeit in einer Linzer Klinik zwischen Kreißsaal, Wochenbett und Ambulanz wechselt und auch Mama eines kleinen Sohnes ist, arbeitet Sophie noch im gleichen Krankenhaus in Wien im Kreißsaal und der Ambulanz, und studiert nebenher „Public Health“. Die beiden sind auch freiberuflich in der Schwangerenvorsorge und Wochenbettnachsorge in ihrer jeweiligen Umgebung tätig.

Die beiden Hebammen sind auch auf Instagram mit ihrem Account _informed.motherhood_ unterwegs, und ihren online Geburtsvorbereitungskurs findet ihr unter www.informed-motherhood.at.

 

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