
Ein Erfahrungsbericht von Melanie Kotte
Wenn ich heute Eltern sehe, die ihr Baby tragen, dann erwärmt mir das jedes Mal das Herz. Vielleicht, weil ich weiß, wie sich das anfühlt – dieses kleine, warme Wesen so nah bei sich zu haben. Vielleicht aber auch, weil ich aus Erfahrung sagen kann: Tragen verändert etwas. In einem selbst. Im Kind. Im Miteinander.
Ich bin Mel, Gründerin von LELIBA. Das Thema Tragen begleitet mich nicht nur beruflich, sondern auch ganz persönlich schon seit über zehn Jahren. Ich habe meine beiden Kinder getragen – vom ersten Tag an – und mich früh damit beschäftigt, wie tiefgreifend das Tragen unser Elternsein prägen kann. Ich habe viele Jahre in einem Trageunternehmen gearbeitet, mit Familien gesprochen, mit Expert:innen diskutiert, beraten, ausprobiert, hinterfragt – und letztlich 2022 meine eigene Babytrage auf den Markt gebracht.
Denn Tragen ist weit mehr als ein praktisches Alltagshelferlein. Es ist gelebte Verbindung, ein Mittel zur Regulation, ein Schutzraum. Es ist ein Geschenk – für Eltern und für Kinder.
Tragen als biologisches Grundbedürfnis – was Babys wirklich brauchen
Wir alle kommen hilflos auf die Welt. Doch wie hilflos genau, das ist in der Biologie ein spannendes Thema. Denn es gibt verschiedene Arten von Jungtieren: Nesthocker, Nestflüchter – und Traglinge. Und genau zu dieser letzten Kategorie gehört der Mensch.
Traglinge erkennt man an bestimmten Merkmalen: Sie können sich nicht selbstständig fortbewegen, klammern sich reflexartig an und brauchen den Körperkontakt der Bezugsperson. Beim Menschen ist das nicht anders. Die berühmten Greifreflexe, das Suchen nach Nähe, das Beruhigen am Körper – all das sind Hinweise darauf, dass unser Nachwuchs nicht zum Liegen gemacht ist, sondern zum Getragenwerden.
Tragen entspricht also einem tiefen evolutionären Bedürfnis. Und es erfüllt ganz nebenbei noch viele andere Funktionen – emotional, körperlich, entwicklungspsychologisch.
Gesund tragen: Warum die richtige Haltung für Babys so wichtig ist
Babys werden mit einer runden Wirbelsäule geboren. Die charakteristische S-Form, die Erwachsene haben, entsteht erst im Laufe des ersten Lebensjahres. Beim Tragen sollte die natürliche Form der Wirbelsäule erhalten bleiben – durch eine leicht eingerollte Haltung mit angehockten Beinchen.
Diese Anhock-Spreiz-Haltung ist das, was viele unter „ergonomisch“ verstehen – wobei wir lieber sagen: Sie unterstützt die natürliche Entwicklung. Die Knie sind höher als der Po, das Becken ist leicht gekippt, der Rücken darf „rund“ bleiben. Das entlastet die Wirbelsäule, fördert die Hüftreifung und sorgt für eine gesunde Entwicklung des Bewegungsapparates.
Auch die Gefahr von lagebedingten Kopfverformungen (Plagiozephalie) kann durch aufrechtes Tragen reduziert werden. Denn in der Trage liegt das Baby nicht flach auf dem Rücken – der Druck auf den Hinterkopf wird reduziert, und die Kopfkontrolle wird ganz nebenbei gestärkt.
Richtiges Tragen ist also viel mehr als nur praktisch – es ist aktive Gesundheitsvorsorge.
Tragen stärkt die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind
Tragen bedeutet Nähe – und Nähe bedeutet Bindung.
Gerade in den ersten Lebensmonaten ist dein Baby vollständig auf dich angewiesen, um sich zu regulieren. Es kann Stress, Hunger, Müdigkeit und Reizüberflutung noch nicht selbst verarbeiten – dafür braucht es dich.
Beim Tragen hört dein Baby deinen Herzschlag, spürt deinen Atem, riecht dich. Es erlebt deine Reaktionen, deine Stimme, deine Bewegung – und lernt dabei, dass es sicher ist. Dass jemand da ist. Dass es gesehen wird.
Auch auf hormoneller Ebene passiert beim Tragen viel Gutes: Es wird Oxytocin ausgeschüttet – auf beiden Seiten. Das sogenannte Bindungshormon stärkt die emotionale Verbindung, reduziert Stress und wirkt sogar schmerzlindernd.
Für Eltern ist Tragen oft ein Weg, in eine sichere Beziehung hineinzuwachsen. Es schafft Selbstvertrauen, gibt Orientierung – und es zeigt dir: Du machst das gut.
Wie Babytragen den Alltag mit Kind erleichtern können
Neben all den emotionalen und körperlichen Vorteilen ist Tragen auch einfach: alltagstauglich.
Wenn dein Baby Nähe braucht, aber du nebenbei Geschwisterkinder versorgen, einen Einkauf erledigen oder einfach mal Zähne putzen möchtest – Tragen macht’s möglich.
Zwei freie Hände und ein zufriedenes Kind auf Brust oder Rücken? Manchmal ist das Gold wert.
Auch unterwegs ist Tragen oft praktischer als der Kinderwagen – vor allem bei Treppen, unebenem Gelände, vollen Gängen oder spontanen Nickerchen.
Und: Dein Baby bekommt die Welt aus deiner Perspektive mit, bleibt durch deine Bewegung reguliert – und fühlt sich sicher.
So findest du die passende Babytrage für dich und dein Kind
Die Auswahl an Tragehilfen ist riesig – und das kann schnell überfordern.
Von Tragetuch über Fullbuckle bis Halfbuckle, von elastisch bis gewebt – jede Variante hat ihre Stärken. Wichtig ist, dass die Tragehilfe zu euch passt.
Eine gute Tragehilfe sollte:
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Die natürliche Anhock-Spreiz-Haltung ermöglichen
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Den Rücken stützen, ohne ihn gerade zu drücken
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Für die tragende Person bequem und leicht anzulegen sein
Die perfekte Trage gibt es nicht – aber es gibt die perfekte Trage für euch. Und die findest du am besten mit einer individuellen Beratung.
Tragen muss nicht perfekt sein – es muss zu euch passen
Manchmal denken Eltern, sie müssten ihr Kind den ganzen Tag tragen, damit es „richtig“ ist. Aber so funktioniert Tragen nicht.
Tragen ist kein Dogma. Es ist keine Verpflichtung. Es ist ein Angebot.
Du darfst tragen, wann es für euch passt.
Du darfst auch mal den Kinderwagen nehmen. Oder dein Kind auf den Arm.
Und wenn du keine Lust hast – ist das völlig okay.
Tragen darf sich leicht anfühlen. Und es darf auch Pausen geben.
Denn es geht nicht um Perfektion, sondern um Verbindung. Um das Gefühl, füreinander da zu sein – auf eure Art.
Fazit: Getragen werden tut gut. Und Tragen stärkt. Immer.
Tragen ist Nähe, Vertrauen, Intuition.
Es ist Bewegung in Verbundenheit.
Es ist ein Werkzeug, das uns Eltern stärkt – in einer Zeit, in der vieles neu und unsicher ist.
Du musst keine perfekte Trageweise beherrschen. Du musst nicht alles wissen.
Du darfst einfach da sein. Und dein Baby spürt das.
Wenn ihr tragt, tragt ihr nicht nur Gewicht – ihr tragt Beziehung.
Und das ist vielleicht das Schönste am Elternsein überhaupt.