Eine Geburt ist ein einzigartiger Moment im Leben – kraftvoll, emotional und tief bewegend. Der weibliche Körper wird dabei stark gefordert und eine solche Geburt kann kleine Spuren am Körper hinterlassen. Geburtsverletzungen gehören zu einem natürlichen Geburtsverlauf.
In diesem Beitrag erfährst du, welche Formen von Verletzungen es geben kann, warum sie entstehen – und wie du ihnen mit Wissen, Vorbereitung und ohne Angst begegnen kannst.
Was sind Geburtsverletzungen?
Verletzungen können im Rahmen einer Geburt im Bereich des mütterlichen Geburtswege entstehen. Meist handelt es sich dabei um Risse, Schürfungen oder einen Schnitt.
Eine solche Verletzung kommt mit 60 – 80% doch sehr häufig vor, ist aber in sehr vielen Fällen eine kleinere und oberflächliche Wunde, die rasch wieder verheilt. Bei der ersten Geburt ist die Wahrscheinlichkeit höher, da das Gewebe noch nie zuvor so stark gedehnt wurde.
Konkret unterscheidet man:
- Dammrisse (Grad 1- 4)
o Grad 1: oberflächliche Verletzung der Damm- und Scheidenschleimhaut
o Grad 2: Beteiligung der oberflächlichen Beckenbodenmuskulatur
Deutlich seltener mit 0,5 – 3% Häufigkeit:
o Grad 3: Verletzung der oberflächlichen Beckenbodenmuskulatur und des Schließmuskels
o Grad 4: Verletzung der oberflächlichen Beckenbodenmuskulatur, des Schließmuskels und der Darmschleimhaut
- Dammschnitte: laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen nötig- etwa bei drohendem Sauerstoffmangel des Babys
- Labienrisse/-schürfungen, Scheidenrisse oder selten auch Klitorisrisse
- Zervixrisse (Risse des Gebärmutterhalses) – auch sehr selten
Wie entstehen Geburtsverletzungen?
Geburtsverletzungen entstehen hauptsächlich in der letzten Phase der Geburt, der sogenannten Austrittsphase. Dabei drückt das Köpfchen stark nach unten und man atmet oder schiebt es im Einklang mit der Wehe nach unten, so dass es immer tiefer kommt. Dieser Prozess dauert vor allem beim ersten Baby meist ein Weilchen und ist Milimeterarbeit. Mit jeder Wehe dehnt sich das Gewebe – und zieht sich in der Pause wieder leicht zurück. Gegen Ende bleibt das Köpfchen sichtbar und übt zunehmend Spannung auf die Strukturen aus. Dort, wo das Gewebe am schwächsten ist, kann es dann schließlich zu Rissen kommen.
Dementsprechend sind die häufigsten Geburtsverletzungen geringgradige Dammrisse.
Mögliche Risikofaktoren für Geburtsverletzungen können sein:
- Erste Geburt eines Babys
- Sehr schnelle oder sehr lange Geburtsverläufe
- Ungewöhnliche Kindslage (z. B. Hand neben dem Köpfchen)
- Sehr großes Baby
- Interventionen wie Saugglocke, Geburtszange, Kristeller-Handgriff oder Dammschnitt
- Genetische Faktoren (z. B. Gewebefestigkeit)
Trotz Risikofaktoren: Nicht jede Geburt führt zu Verletzungen! Häufig ist es ein Zusammenspiel mehrerer Aspekte.
Was passiert, wenns passiert?
Eine Geburt ist immer mit der Entwicklung der Plazenta abgeschlossen. Während nun endlich mit dem Baby gekuschelt werden darf, wird die Hebamme oder Gynäkolog*in nun mit einem Tupfer noch die Geburtswege begutachten und genau schauen, ob eine Verletzung vorliegt. Minimale Verletzungen oder Schürfungen müssen nicht zwingend genäht werden. Dies kann individuell besprochen werden.
Geburtsverletzungen werden immer direkt im Anschluss an die Geburt mit Hilfe lokaler Betäubung versorgt. Im Falle von höhergradigen Verletzungen wird diese im OP genäht und eine kurze Narkose oder ein Kreuzstich durchgeführt, um ein optimales Schmerzmanagement und optimale Wundversorgung zu gewähren.
Was kann vorbeugend gemacht werden?
Um das Risiko einer Geburtsverletzung zu reduzieren, gibt es ein paar Möglichkeiten, wie der Körper vor und während der Geburt (mit Hilfe des Klinikpersonals) unterstützt werden kann.
Dazu zählen:
- Dammmassage ab der 36. Schwangerschaftswoche
- Beckenbodentraining inklusive bewusster Entspannung der Muskulatur während der gesamten Schwangerschaft
- Atemtechniken
- Wahl einer entlastenden Geburtsposition: Positionen wie die Seitenlage oder der Vierfüßlerstand gelten als eher schonend für den Damm. Sehr aufrechte Positionen, wie die tiefe Hocke sollten nicht zu lange eingenommen werden, da sich der Druck auf das Gewebe und den Beckenboden verstärkt. Auch eine Wassergeburt kann das Risiko etwas reduzieren
- Dammschutz: während der letzten Phase beziehungsweise kurz vor der Geburt, kann die Hebamme durch warme Kompressen am Damm die Durchblutung und Dehnung des Gewebes das Risiko ebenso reduzieren.
Was ist nach der Geburt zu beachten?
Um das Risiko für Komplikationen so gering wie möglich zu halten und eine rasche Heilung zu fördern, kann der Körper beim Heilungsprozess mit ein paar einfachen Tipps gut unterstützt werden.
🛏 Schonung
Das A und O bei Geburtsverletzungen! Die ersten 2–3 Wochen sollte vorerst viel geruht werden – der Körper hat Großartiges geleistet. Vor allem Liegen hilft, um Schwellungen und Blutergüsse zu vermeiden.
💩 Stuhlgang regulieren
Weicher, regelmäßiger Stuhlgang vermeidet unnötiges Pressen. Hilfreich: Magnesium, Leinsamen, Trockenpflaumen.
😣 Schmerzen lindern
Eine Verletzung im Intimbereich kann schon mal, vor allem in den ersten Tagen nach der Geburt, unangenehm sein. Jede Frau empfindet eine Verletzung jedoch unterschiedlich und individuell. Auch stillende Frauen, können gerne Schmerzmittel einnehmen. Diese wirken zusätzlich auch entzündungshemmend. Besprich dies am besten individuell mit deiner Hebamme oder Gynäkolog*in.
Kühlpads, Topfenauflagen, Sitzbäder mit Eichenrinde, Lavendel- oder Johanniskrautöl in die Binde getropft können wohltuend sein.
🧼 Hygiene
Bereits ab Tag 1 sollte die Wunde sanft mit lauwarmem Wasser regelmäßig abspülen. Zur leichteren und sanfteren Reinigung nach dem Stuhlgang oder für Zwischendurch kann auch eine sogenannte Po-Dusche verwendet werden. Weiters empfiehlt sich die Verwendung von atmungsaktiven Baumwollbinden und das Tragen von Baumwollunterhosen.
🤸 Rückbildung
Sobald sich Frau bereit fühlt, darf gerne mit ersten Beckenbodenübungen gestartet werden. Nur bei höhergradigen Dammrissen, sollte der Muskel ein wenig mehr Zeit bekommen zum Heilen. In diesem Fall sollte eine gynäkologische Kontrolle zunächst abgewartet werden. Später eignen sich Rückbildungskurse oder Physiotherapieeinheiten ideal.
✋ Narbenpflege
So wie jede andere Narbe, sollte auch eine Narbe im Intimbereich gut umsorgt werden. Es empfiehlt sich daher nach dem OK der Hebamme oder Gynäkolog*in die Narbe gut zu massieren, um die Narbe geschmeidig zu halten und Verklebungen zu lösen. Dazu kann reines Öl oder ein Dammmassageöl verwendet werden.
Leider sind Gespräche über so intime Themen wie Geburtsverletzungen nach wie vor ein Tabuthema. Das Wichtigste ist daher sich bei Beschwerden mit der Narbenheilung oder dem Beckenboden Hilfe zu holen. Es gibt viele individuelle Möglichkeiten der umfangreicheren Unterstützung nach einer Geburtsverletzung. Sprich mit deiner Hebamme oder deinem*deiner Ärzt*in darüber!
Mit der richtigen Vorbereitung und liebevoller Nachsorge lassen sich Geburtsverletzungen gut begleiten – für einen gestärkten Start ins Wochenbett.

Unsere Gast-Autorinnen
Esther und Sophie sind zwei Hebammen aus Österreich. Die gemeinsame Arbeit und Zeit in einer Wiener Klinik hat die beiden so sehr verbunden, dass aus Kolleginnen gute Freundinnen wurden. Anlässlich der Corona Pandemie und dem Umzug von Esther nach Linz, haben die beiden beschlossen, einen kompakten, aber umfangreichen online Geburtsvorbereitungskurs für werdende Eltern zu entwickeln und aufzunehmen.
Während Esther derzeit in einer Linzer Klinik zwischen Kreißsaal, Wochenbett und Ambulanz wechselt und auch Mama eines kleinen Sohnes ist, arbeitet Sophie noch im gleichen Krankenhaus in Wien im Kreißsaal und der Ambulanz, und studiert nebenher „Public Health“. Die beiden sind auch freiberuflich in der Schwangerenvorsorge und Wochenbettnachsorge in ihrer jeweiligen Umgebung tätig.
Die beiden Hebammen sind auch auf Instagram mit ihrem Account _informed.motherhood_ unterwegs, und ihren online Geburtsvorbereitungskurs findet ihr unter www.informed-motherhood.at.